Ein Denkmal für die Toten der KZ-Außenlager um Neckarelz und Obrigheim in Heidelberg-Kirchheim
Wer den Friedhof Heidelberg-Kirchheim betritt, entdeckt unweit der Kapelle ein großes Monument in einer angedeuteten Dreiecksform, Metallrahmen umschließen weiße Schriftfelder. Auf den Feldern sind Namen und Lebensdaten von 78 Männern aus acht verschiedenen Ländern aufgedruckt, allen gemeinsam ist das Todesjahr: 1944.Texte in deutscher und englischer Sprache erklären, worum es sich handelt: ein Denkmal für die Toten der KZ-Außenlager um Neckarelz und Obrigheim.

Entstanden ist die Idee für das Denkmal-Projekt im Schuljahr 2017/18 beim Besuch der damaligen 9c in der KZ-Gedenkstätte Neckarelz und auf dem KZ-Friedhof Binau. Als die Klasse erfuhr, dass die zwischen April und der ersten Oktoberhälfte 1944 verstorbenen Häftlinge im Krematorium Heidelberg verbrannt und ihre Asche auf dem Friedhof Heidelberg-Kirchheim vergraben worden waren, gab es ein großes Erschrecken. Zum einen über die Tatsache als solche, zum anderen über die jahrzehntelange Anonymität und mangelnde Erinnerung in Heidelberg. Bei den Toten handelt es sich um 74 politische Häftlinge, vier weitere hatten die Nazis als „asozial“ oder „kriminell“ eingestuft.
Bald nach dem Besuch begannen die jungen Leute, zusammen mit ihrer Lehrerin Eva Bernhardt, Pläne für ein Denkmal zu entwerfen und Geld bei Stiftungen und Privatpersonen einzuwerben. Während der Lockdowns hat die Schule ein Fundraising gestartet, und die Klasse hielt kurz vor ihrem Abitur 2021 eine Andacht auf dem Kirchheimer Friedhof ab. So wurde die Öffentlichkeit aufmerksam und der Bezirksbeirat Kirchheim, wie auch der Gemeinderat gaben, nach der Präsentation zweier Schülerinnen, Alexandra Ziegler und Marina Kaiser, ihre Zustimmung. Bis die Idee nun tatsächlich umgesetzt werden konnte, sind sechs Jahre vergangen.
Am Sonntag, dem 14. April 2024 wurde das Denkmal in einer würdigen Feier eingeweiht.
Die ehemaligen Schüler:innen, nunmehr bereits Studierende, sprachen aus der Rückschau über das Projekt und stellten vier exemplarische Häftlingsbiografien vor. Luna Bühring sprach über Ivan Tretjakow, der zunächst als russischer Zwangsarbeiter nach Ludwigshafen, dann über Natzweiler-Struthof nach Neckarelz gelangte. Alina von Thenen stellte Theodor Ackermann vor, einen der wenigen Häftlinge, die aus Heidelberg stammten. Er kam als sogenannter „Berufsverbrecher“ ins KZ. René Brunet war ein politischer Gefangener aus dem französischen Widerstand. Johannes Siebert zeichnet seine Lebensgeschichte nach und schildert die grausamen Umstände seines Todes nach einem gescheiterten Fluchtversuch. Marina Kaiser berichtet über den Polen Wladyslaw Barylka, der im Zuge einer Massenverhaftung zunächst nach Großrosen, dann nach Neckargerach gebracht wurde.

Philipp Morgen hält eine Rede über die Motivation der Klasse bei Beginn des Projekts und über die aktuelle Relevanz von Demokratieerziehung. Seine Rede finden Sie hier.
Aus Kanada war Ivan Luksić angereist. Sein Onkel Ivan Karlić, dessen Leben er schilderte, war der erste Tote des KZ Neckarelz-Schule; er starb am 13. April 1944.
Arno Huth von der KZ-Gedenkstätte Neckarelz beleuchtete den Umgang mit den Toten der Neckarlager aus wissenschaftlicher Sicht, seine Rede finden Sie hier. Schulleiter Heinz-Martin Döpp unterstrich die Bedeutung des Projekts für die SchülerInnen, auch in der Zukunft, und dankte allen, die sich dafür engagiert haben.
Eva Bernhardt sprach über die Pflicht des Erinnerns, die Verankerung eines Gedenkstättenbesuchs im Unterricht und über die Erinnerungsarbeit in einer Zukunft ohne Zeitzeugen. Ihre Rede finden Sie hier.
Der Veranstaltung beigewohnt haben ebenfalls Bürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain, sowie Vertreter des Gemeinderats, des Heidelberger Geschichtsvereins, des Heidelberger Friedenskreuzes (die Klasse erhielt von dieser Stiftung das Preisgeld, das den Grundstein für das Fundraising legte) und der evangelischen Kirche. Maßgeblich beteiligt an der Umsetzung war Herr Martin Geißler, Betriebsleiter des Amts für Forst- und Landwirtschaft. Die Firmen markus slaby media, verantwortlich für die grafische Ausgestaltung, und Saul & Spickermann, Metallbau, waren zuständig für die Ausführung.
Für die musikalische Umrahmung sorgten Julius Luchterhandt mit Improvisationen am Klavier, sowie aus den Reihen des Thadden-Kollegiums mit „Prayer for Peace“ (Rainer Mohrs, Arr.: Florian Lepold) Irene Schubert (Violine), Michael Jörder (Trompete), Antje Roman (Klavier).
Weitere Fotos und die ersten Biografien sind hier zu finden, ein Zeitungsbericht vom 17.04.2024 hier.