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Erinnern als Auftrag – 80 Jahre Befreiung Auschwitz

Der 27. Januar war der Tag der Befreiung von Auschwitz und ist der Gedenktag des national-sozialistischen Unrechts.

Die Stadt Heidelberg begeht diesen Tag alljährlich und lädt Menschen ein, die der Verfolgung und Ausgrenzung des NS-Regimes zum Opfer fielen und heute Zeugnis geben von jener Zeit.

Anlässlich der 80 Jahre zurückliegenden Befreiung von Auschwitz war dieses Jahr Paul Eric Joseph eingeladen, der als Einjähriger mit seinen Eltern die Flucht aus Heidelberg angetreten hat. Sein Weg führte über die Schweiz in die Niederlande, wo er heute lebt. Seinen Eltern zu Ehren und um den Fluchthelfern zu gedenken, hat er den Dokumentarfilm „Die Würdigung“ drehen lassen, der am vergangenen Montagnachmittag als Vorbereitung für die Veranstaltung im Rathaus gezeigt wurde.

Am Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz gedenkt Heidelberg im Großen Rathaussaal der Opfer des Nationalsozialismus. Nach einer Ansprache von Bürgermeisterin Stefanie Jansen sprechen zehn Jugendliche von Heidelberger Schulen mit dem Zeitzeugen Paul Eric Joseph über seine Erinnerungen und seine Familiengeschichte. Der 86-Jährige musste als Kind gemeinsam mit seiner Familie vor den Nazis aus Heidelberg fliehen.
Foto: Philipp Rothe, 27.01.2025

Im Vorfeld haben sich Schülerinnen und Schüler von zehn Heidelberger Schulen mit dem Film befasst; vom „Thadden“ haben die Schülerinnen und Schüler Andrea Cámara Martínez sowie Mathilde Jenke aus dem Seminarkurs „Geschichtswettbewerb“ (Fr. Bernhardt) und Mila Hecker, Audrey Hess, Antonina Pawluk, Lilly Rapp, Alina Thebes sowie Fynn Aldinger aus dem Seminarkurs „Israel“ (Fr. Seidler-Maafi) sich mit der Lebensgeschichte von Paul Eric Joseph auseinandergesetzt und Fragen für die Podiumsdiskussion mit dem Zeitzeugen vorbereitet.

Dem Gespräch voraus ging ein Vortrag über die weit verzweigte Familien Hochherr, Joseph und Weil, die in Heidelberg eine Rohtabakfabrik betrieben, bevor sie Ausgrenzung und Verfolgung durch das NS-Regime erlitten. Mirja Bluhm, Mara Jahn, Alicia Steinberg und Anaïs von Stockhausen (10c) haben sich mit dem umfangreichen Material befasst und vier Biografien ausgewählt.

Alicia Steinberg, Anaïs von Stockhausen, Mara Jahn und Mirja Bluhm (10c) ©Stadt Heidelberg

Hier zwei Ausschnitte ihrer Rede und ein kurzer Abriss über die dargestellten Lebenswege:

„Was können wir tun? Wir sind hier, um die Opfer zu würdigen. Es wäre zu viel gesagt, dass man ihnen ihre Würde zurückgeben wolle, da das Geschehene nicht ungeschehen gemacht werden kann. Wir können jedoch mit ihren Lebensgeschichten einen kleinen Beitrag leisten, die Toten zu ehren und die Lebenden zu mahnen.

Für den heutigen Gedenktag haben wir uns mit der Familiengeschichte der Familien Hochherr und Weil beschäftigt und wollen Ihnen Beispiele für ihre Schicksale präsentieren. Dafür haben wir vier Lebenswege vorbereitet, welche unterschiedlichste Wendungen ihrer Flucht und Deportation nahmen.“

Bernhard, Ferdinand, Simon Hochherr und Arthur Weil waren Söhnen und Schwiegersohn von Levi Hochherr, dem Gründer des Familienunternehmens.

Die meisten Familienmitglieder ereilte mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten und den zunehmenden Repressionen gegen jüdische Bürger das Schicksal von Enteignung, Verarmung, Flucht und Deportation. Sie wurden in den Lagern Theresienstadt, Sobibor und Auschwitz umgebracht. Eine Ausnahme bildete die Familie Weil, die auf dem Dampfer St. Louis entkam, dort jedoch eine Odyssee von Kuba, nach England und letztlich in die USA erlebte, bevor sie ein neues Leben beginnen konnten. Auf der Irrfahrt der St. Louis ereigneten sich dramatische Szenen, als die Passagiere fürchteten, nach Europa oder gar Deutschland zurückkehren zu müssen. Arthur Weil berichtet in seinem Tagebuch von Menschen, die aus Angst vor dem Konzentrationslager den Freitod im Meer suchten. Die intensive Recherche und Arbeit über die Familie Hochherr hat die Schülerinnen nachhaltig beeindruckt. Sie schließen ihren Vortrag mit:

„Im Nationalsozialismus und in den Konzentrationslagern war die Identität des einzelnen Menschen auf eine Nummer reduziert. Teil von historischer Verantwortung kann es sein, den Nummern einen Namen zurückzugeben, an Biografien zu erinnern. Jeder Name zählt. Die Gnade der späten Geburt hat uns vor jener Zeit bewahrt. Als Erben der Vergangenheit erinnern wir daran. Erinnern heißt Zukunft.“

Die Begegnung und das Gespräch mit Herrn Joseph haben alle Beteiligten als bewegend und bereichernd erachtet. Es gibt nur noch wenige lebende Zeitzeugen und -zeuginnen. Herrn Joseph ist dafür zu danken, dass er seine Fluchterlebnisse mit uns geteilt hat und sie so vielen Teilnehmern an der Veranstaltung zugänglich wurde.

Hier zum Artikel in der Rhein-Neckar-Zeitung