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Meine Ratte hängt neben der von Günter Grass

Günter Grass und Schülerarbeiten nach Grass in der Thaddenschule – Ausstellung im renovierten Wieblinger Schloss bis 10. Mai

Echte Grass-Ratten und solche von den Thaddenschülern hängen dicht beieinander. Wahrscheinlich sehr zur Freude von Günter Grass, der zur Ausstellungseröffnung nicht kommen konnte, aber sich darüber Gedanken machte, „wie meine Grafiken auf die Schüler wirken und ob sich die Wirkung der Ausstellung in eigenen Arbeiten niederschlägt.“ Fotos: Joe

„Neugierig bin ich, wie meine Grafiken auf Ihre Schüler wirken und ob sich die Wirkung der Ausstellung in eigenen Arbeiten niederschlägt.“ Diese Zeilen schrieb Günter Grass in einem Brief an den Schulleiter der Thaddenschule, Volker Herion, in dem er sich entschuldigte, nicht selbst bei der Eröffnung der Ausstellung dabei sein zu können.

Wie sehr der dichtende Künstler die Thaddenschüler im letzten halben Jahr beeinflusste, hätte ihn wohl überrascht: Die echten Kunstwerke eines echten Künstlers haben die Schüler von der fünften bis zur 13 Jahrgangsstufe besonders motiviert, berichtete die Künstlerin Benita Joswig. Sie arbeitet als Kunstlehrerin an der Thaddenschule und hatte die Idee zu der Ausstellung. Laura Grass-Zabel, die Tochter des Nobelpreisträgers, studierte gemeinsam mit der Heidelbergerin und ermöglichte die kleine Werkschau.

Über 50 Exponate des beinahe 80-jährigen Grass können im renovierten Schloss und im Haupthaus der Schule bewundert werden. Neben früheren Arbeiten seines grafischen Werkes wie der „Rättin vor Danzig“, sind auch neuere zu sehen. Dazu gehört der erst vor zwei Jahren entstandene Andersen-Zyklus. Eine andere Leidenschaft des gelernten Steinmetzes ist das Tanzen: „Auch noch im hohen Alter, das sagt er selbst“, berichtete Benita Joswig. Die Reihe „Letzte Tänze“ ist 2003 entstanden und ebenfalls in der Thaddenschule zu sehen. Sieben Plastiken stellen Grass als Bildhauer vor. 

Die Schüler hatten im Vorfeld Gelegenheit, sich die Werke genau anzuschauen. So entstanden Collagen, Radierungen, Drucke und Plastiken. Über 70 der Schülerarbeiten verteilte Benita Joswig in der Nähe der Grass-Werke, von denen sie inspiriert wurden. Kritzelige, haarige Ratten aus der siebten Klasse hängen da neben der „Rättin vor Danzig“, kleine tanzende Paare aus gebranntem Ton teilen sich den frisch renovierten Speisesaal des Schlosses mit den Plastiken von Grass. Sechste Klassen schufen geheimnisvolle Unterwasserwelten der kleinen Meerjungfrau in Schuhkartongröße, und eine siebte Klasse bildete die Radierung „Nach dem Fischessen“ als reales Fischessen mit allem Abgenagten und den Resten aus Pappmaché nach. Der Tisch mit den bunten Fischköpfen steht auf dem Schulhof, wo auch modellierte Wildgänse in den Linden fliegen. Die Arbeiten Günter Grass’ gaben den Schülern auch über den Kunstunterricht hinaus zu denken auf. Zum Beispiel: „Was ist das für ein Mensch, der im hohen Alter in seinem letzten Buch seine Mitgliedschaft bei der Waffen-SS nochmals literarisch-biografisch anspricht und sich damit der gesellschaftlichen Diskussion weltweit stellt?“ Das waren auch Fragen für die Einheit Ethik und Moral im Religionsunterricht.

Nach gut einem Jahr Vorbereitung ist die Ausstellung nun der Öffentlichkeit zugänglich. Bis zum 10. Mai kann an Werktagen jeder Interessierte die Arbeiten bewundern. Die Ausstellung ist zwischen 9 und 12.30 Uhr und 14 und 17 Uhr geöffnet, an den Freitagen bis 21 Uhr. Führungen sind nach Anmeldung möglich. Wer Interesse hat, eine der Arbeiten von Günter Grass zu erwerben, kann das über das Sekretariat tun.

Von Marianne Schlestein

Rhein-Neckar-Zeitung: 27. April 2007